Oktober 2018

Miss Gladys und ihr Astronaut von David Barnett

Bild: www.miss-gladys.de/#buch

Kategorie: Ein Buch zum wunderbar Weglesen, nicht schmalzig, sondern einfach herzerwärmend
Verlag: Ullstein Buchverlag, 2018

Das Buch wird in Foren oft als Frauenliteratur geführt. Auch wenn ich diese Schublade sowieso schon unsinnig finde, – warum sollte Literatur geschlechtsspezifisch sein? Welche Kriterien machen es dazu? Und darf das andere Geschlecht dann kein Interesse an dem Buch haben? … aber das ist ein anderes Thema; vorerst muss ich mich wohl mit dieser Kategorie abfinden – es ist definitiv kein Buch, dass nur von Frauen interessant gefunden werden könnte. Der Verlag schreibt, es sei ein Buch über eine außergewöhnliche Freundschaft. Der Aspekt der Freundschaft ist durchaus vorhanden, auch wenn ich Ihn nicht überwiegend zwischen Miss Gladys und dem Astronauten sehe, da er in den Beziehungen zwischen anderen Charakteren viel deutlicher wird. Es ist viel mehr eine Geschichte über Schicksalsschläge des Lebens und wie man damit umgeht. Zugegeben ist diese Zusammenfassung vielleicht nicht so marketingwirksam und würde vielleicht auch ein weniger passendes Lesepublikum ansprechen. Außerdem ist der Titel so schön griffig und legt den Fokus auf einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte.

Das Buch beginnt mit einem Ausschnitt aus Thomas Majors, der Astronaut, Kindheit, genauer gesagt der Moment, der anscheinend prägend ist, für den kompletten weiteren Verlauf seines Lebens. Teile seiner Geschichte wechseln sich mit der Geschichte von Miss Gladys und ihren Enkeln ab, bis zu einem fehlgeleiteten Telefonat, in dem der Astronaut aus Versehen Miss Gladys anruft, das beide Geschichten miteinander verbindet.

Inhalt
Es geht also um das Leben von Major Tom bzw. seine Vergangenheit und wie er zu dem miesepetrigen, gesellschaftsscheuen Menschen wird, der ohne zu Zögern gerne auf eine Marsexpedition ohne Rückkehr fliegt, nur um den lästigen Mitmenschen zu entkommen. Ebenso geht es aber um die Geschichte der Familie Omerod. Ellie und James haben schon in frühen Jahren ihre Mutter verloren. Nachdem dann auch noch ihr Vater inhaftiert wurde, leben sie bei ihrer Großmutter. Diese wird aber zunehmend seniler, man kann sogar schon sagen dement, und damit unzurechnungsfähiger. Da Ellie jedoch nicht möchte, dass die Familie auseinandergerissen wird, übernimmt sie alle Aufgaben eines Erwachsenen; sie hat drei Jobs, macht den Haushalt, achtet auf ihren kleinen Bruder und pflegt ihre Großmutter. Das ist jedoch gar nicht so einfach, vor allem nicht, wenn die Großmutter vertrauensselig Hab und Gut riskiert, sodass ihnen die Obdachlosigkeit droht, der kleine Bruder zwar ein Genie ist, aber in der Schule schikaniert wird und man selbst ja eigentlich auch noch Hausaufgaben zu erledigen und die normalen Bedürfnisse und verwirrenden Gedanken einer 15-Jährigen hat.

Die Geschichte enthält viele Aspekte: Verluste, Betrug, Selbstzweifel, Isolation, auf der Seite von Major Tom und Durchhaltevermögen, familiäre Bund sowie Liebe auf der Seite der Familie Omerod. Egal, in welchen Schwierigkeiten sie stecken, sie versuchen gemeinsam einen Weg zu finden, wobei aber deutlich wird, dass die Hauptverantwortung auf der 15 Jahre alten Tochter liegt und man während des Lesens oft das Bedürfnis hat sie irgendwie zu unterstützen.

Das Leserauge mal wohlwollend zudrücken …
Fraglich bleibt für mich jedoch, warum eine 15 jährige arbeiten muss, wenn der Vater vor seinem Haftbeginn doch anscheinend alles Finanzielle geregelt hat. Er wird ja nicht nur an die Miete gedacht haben, sondern dass auch Kosten für Nahrung etc. anfallen. Ebenso muss man wohl hinnehmen, dass ein normaler Wissenschaftler einfach so einen ausgebildeten Astronauten ersetzen kann und lediglich in einem Crashkurs ausgebildet ins All geschickt wird, nur weil man in den Medien nicht schlecht dastehen möchte. Ein wenig nervig ist auch, dass Ellie so leidet, sich aber strikt weigert, sich jemanden anzuvertrauen und damit ihre Probleme eventuell zu lösen. Gerade diese Nervigkeit spricht aber für eine gute Charakterzeichnung. Die Denkweise einer 15-Jährigen wird hier sehr gut verdeutlicht.

Eine Hommage an David Bowie
Neben einer liebevoll erzählten Geschichte schafft Barnett mit seinem Roman auch ein schönes Gedenkstück an David Bowie, was wohl am deutlichsten in der Namensgebung „Major Tom“ zu sehen ist. Sicherlich ist das eher interessant für die „ältere“ Generation, was im Buch auch indirekt thematisiert wird. Dennoch wurde damit ein schönes Stück Zeitgeschichte verewigt.

Fazit
Ich habe die Lektüre dieses Buches sehr genossen. Es ist keine hochtrabende Literatur, aber eine Geschichte, die schon etwas außergewöhnlich ist. Sie ist nicht kitschig, aber schön, sie ist nicht unbedingt realistisch, aber so, dass man sich in die erdachte Welt gut hineinversetzen kann. Man spürt das Leid der Charaktere, rollt mit den Augen über den Zynismus und ist gespannt, wie alles ausgehen wird. Es ist eine Geschichte, die einem zeigt, wie man sein individuelles Glück finden kann. Alles in allem ein sehr vergnüglicher, kurzweiliger Unterhaltungsroman.